Leben in Lichthöfen

Wer schon mal in einer Altstadt gelebt hat, der hat bestimmt schon seine Erfahrungen mit Lichthöfen gemacht. Also diesen schmalen dunklen Schächte zwischen zwei Häusern, die angeblich Licht in die hinteren Zimmer bringen sollen. Ok, das tun sie auch, aber eher unwesentlich.

Dafür zwingen sie einem manchmal Einblicke in das Leben anderer Menschen auf, die selbst einer Else Kling zu viel wären.

Casa Feuerengel ist mit zwei Lichthöfen gesegnet. Der eine grenzt an die Küche, was kein wirklich schöner Ausblick ist, und der zweite an das Bad und das Schlafzimmer.

Der Lichthof am Küchenfenster ist eher für visuelle Merkwürdigkeiten zuständig. So ein Lichhof ist, vor allem wenn das Haus so hoch ist wie dieses und der Lichthof so schmal, eigentlich zu nichts zu gebrauchen. Zwar gibt es auf der Seite auch Balkone, aber die taugen allenfalls zum Parken der Mülltonne und des Leergutes. Trotzdem finde ich unter meinem Küchenfenster immer wieder kleine Kuriositäten. Manchmal auch größere *g*

Von einem Teppich über Euromünzen, Wäschestücke, Dessous, Rosen an Wäscheklammern, Arabertüchern und diversen anderen Dingen, findet man irgendwie immer alles irgendwann. Nach und nach verschwinden die Dinge dann auch wieder. Vermutlich klettert regelmäßig jemand aus dem Treppenhausfenster und sammelt alles wieder ein.

Der zweite Lichthof ist wesentlich unangenehmer. Das mag daran liegen, dass ich mehr Zeit im Schlafzimmer bei geöffnetem Fenster verbringe als in der Küche, kann aber auch mit der wesentlich anderen Klientel der Hausbewohner des Nachbarhauses zusammenhängen.

Als ich vor fast einem Jahr hier eingezogen war, war es besonders unangenehm. Offenbar musste sich ein Nachbar einer Chemotherapie unterziehen. Die Folge war, dass er regelmäßig nachts an den entsprechenden Nebenwirkungen litt und sich stundenlang massiv übergeben musste. Mindestens genauso unangenehm war, wenn sein Pflegedienst da war. Offenbar hatte der Nachbar, scheinbar ein älterer Herr, extreme Schmerzen. Oft schrie er, wenn er gewaschen wurde und in einer Nacht rief er sogar um Hilfe. Dabei war klar zu hören, dass jemand bei ihm war und beruhigend auf ihn einzureden schien. Angst hat es mir trotzdem gemacht. Ich hab wirklich darüber nachgedacht, ob der von dem Pfleger mishandelt wurde…

Irgendwann hörte man jedenfalls nichts mehr von ihm und ich hab mich manchmal gefragt, ob der wohl gestorben oder in einem Pflegeheim ist. Offenbar lebt er doch noch. Auch wenn es ihm noch nicht wesentlich besser zu gehen scheint. Jedenfalls höre ich ihn wieder häufiger nachts wenn jemand bei ihm ist und sich um ihn kümmert.

In den Nächten an den Wochenenden ist die Hauptzeit für Beziehungsprobleme aller Art. Da diskutiert dann morgens um 4 eine Mutter mit ihrem offenbar schon recht erwachsenen Sohn, ob sie ihren Freund rauswerfen soll und dass der die Wohnungsschlüssel abgeben soll. Eine Woche später kann es auch mal sein, dass sie plötzlich sogar den Sohn rauswerfen will.

Man kriegt auch mit, wie oft der Nachbar von ganz oben, der mehrmals am Tag verschiedene Frauen trifft, mit den Mädels in der Kiste landet. Zum Frühstück scheint aber keine zu bleiben.

Normale Gespräche registriert man zum Glück nur als leises Murmeln. Trotzdem bin ich manchmal froh, dass ich diese Nachbarn allenfalls von der Stimme her kenne, aber kein Gesicht dazu habe. Ich glaube, wenn ich denen sonst auf der Straße begegnen würde, könnte ich mir manchmal ein breites Grinsen oder einen roten Kopf kaum verkneifen.

Achja, jeden Sonntag werde ich von Geräuschen geweckt, die eine Mutter macht, wenn sie für Ihre Kinder den Frühstückstisch deckt. Das klingt dann heimelig und wenn die Kinder aufstehen und „Guten Morgen Mama“ rufen ist es meistens für mich Zeit aufzustehen.

Kennt Ihr auch solche Lichthofgeschichten?