Wurzeln

Es gibt so kluge Sprüche und Redewendungen. Man soll Kindern Wurzeln geben (nein, keine Karotten), einen alten Baum verpflanzt man nicht…. es zielt immer darauf ab, das wir alle eine Heimat haben. Meistens – nicht immer – ist die Heimat der Ort, an dem wir aufgewachsen sind.

Ich habe lange mit dem Ort, an dem ich aufgewachsen bin, gehadert. Damals war es ein Dorf. Klein und übersichtlich. Alles was wichtig war, war da, aber wir Kinder und Teenies haben uns gelangweilt und fanden die nächstgelegene Kreisstadt viel cooler. Dummerweise kam man da als Teenager nicht so ohne Weiteres hin. Der Bus fuhr nur zwei Mal am Tag.

Ich war als Teenie alles andere als pflegeleicht und fand das Dorf piefig und spießig und wollte weg. Als 17jährige träumte ich von einem Ausbildungsplatz in Frankfurt. Da war ich auf Klassenfahrt gewesen und fand es total cool. Die große weite gefährliche Welt.

Gut, dass damals niemand das Mädchen aus der Provinz ernst genommen hat. Ich bin nicht sicher, ob ich meine Angststörung, die ich damals schon hatte, aber eine andere Diagnose dafür hatte, überlebt hätte.

Es dauerte also noch 7 oder 8 Jahre bis ich das Dorf verließ und weitere zwei oder drei Jahre später verließ ich Ostfriesland und ging mit meinem 1. Mann in die große Stadt.

Das erste Mal mehr als 100 km weit weg von zuhause, kein soziales Umfeld und zum ersten Mal im Leben Heimweh.

Heimweh hatte ich danach nie mehr. Neu angefangen bin ich inzwischen vier Mal. Fremder Ort, kein soziales Umfeld, keine oder nur sehr sehr wenig Freunde und Bekannte. Man wächst daran, man lernt viel über sich und die Menschen, aber irgendwann macht es keinen Spaß mehr. Es ist nichts dauerhaftes.

Die Freunde die man in der einen Stadt kennenlernt sind weg, sobald man in einer anderen Stadt ist. Nur sehr wenige, die wahren Freunde, bleiben darüber erhalten, auch wenn man sie nur sehr sehr selten sieht und hört. Sie sind wichtig und wertvoll, aber eben nicht immer da.

Für die, die an dem Ort, den man verlässt zurück bleiben ändert sich nicht viel. Es fehlt eben nur ein Mensch…. der Rest geht weiter wie immer.

Viele Jahre war es für mich undenkbar, wieder zurück in das Dorf zu gehen. Inzwischen ist es eine Stadt geworden. Es gibt viele Menschen, die zugegzogen sind und die ich nicht kennen kann. Es gibt nur wenige Menschen, die mir bekannt vorkommen, aber ich erinnere mich nicht woher ich sie kenne und sie erahnen allenfalls wer ich bin, weil sich eine gewisse Familienähnlichkeit nicht leugnen lässt.

Aber da sind meine Wurzeln. Da ist meine Familie, da sind Freunde, da sind Bekannte, da kenne ich mich aus und jetzt weiß ich, da gehöre ich hin.

Ich gehöre nicht nach Oberfranken. Es ist hübsch hier, es ist zentraler, man hat zweifellos mehr Möglichkeiten etwas zu unternehmen. Aber hier sind nicht meine Wurzeln.

Es ist beschlossen. Ich gehe zurück in die Heimat. Ich hatte zwei spontane Vorstellungsgespräche und habe mich im Grunde auch schon für eine Stelle entschieden. Ich muss noch klären, wann dort der Start sein könnte, vermutlich in 4-6 Monaten, und ein bisschen am Gehalt herumverhandeln. Dann muss ich hier meinen Chefs und meinen Mitarbeitern reinen Wein einschenken und hoffen, dass sie nicht zu traurig sind. Nebenbei starte ich die Wohnungssuche, denn die ist dort oben tatsächlich schwieriger als erwartet. Aber auch das bekomme ich hin.

Ich war jetzt eine Woche dort oben. Drei oder Vier Menschen, die mich teilweise fast mein Leben lang kennen sagten irgendwann unabhängig voneinander „Warum machst Du Dir Sorgen, Du fällst immer auf die Füße“

So einfach ist es nicht. Aber mit Freunden und Familie? Was soll mir passieren?

Ich geh nach Hause. Back to the roots. <3